Lothar Häberle

Diversität in Deutschland – zwischen „Nur-Vielfalt“, Antidiskriminierung und Macht im Recht. Zur Wirkmächtigkeit politischer Agenden

in: Stefan Mückl (Hrsg.), „Vielfalt, Gleichstellung und Inklusion“ im Licht der katholischen Soziallehre /Identity and the Tradition of Catholic Social Thought: Understanding “Diversity, Equity, and Inclusion”, Berlin 2024, S. 155-174

Vielfalt dient der Beschreibung des Tatsächlichen, bei Diversität hingegen erscheint die Verknüpfung mit Normativität sinnvoll, wodurch Diversität zum Gesellschaftskonzept wird. Unter den konzeptionellen Umrissen der Diversität wird eine Tendenz zugunsten von Wirklichkeits-Konstruktionen bzgl. Diversität und Gleichheit diskutiert, denn das Recht sei „auf Gestaltung gesellschaftlicher Wirklichkeit angelegt“. Das Allgemeine Gleichstellungsgesetz (AGG) schuf 2006 mit kontrovers diskutierten Elementen (so etwa einer moralisch-gesellschaftspolitischen Agenda, mit Verboten als dem formal schärfsten Eingriffsinstrument, Beweislastumkehr und Eingriffen in privates Verhalten) ein Hochplateau, von dem aus das Antidiskriminierungsrecht, nun aber „postkategorial“, weiter ausgebaut werden soll: mittels eines Schirms für „eine Vielfalt fluider Identitäten“ ohne „diskriminierende Zuschreibungen“, aber mit „gleichberechtigte(r) Anerkennung selbst gewählter Gruppenzugehörigkeiten oder des Wechsels zwischen ihnen“. Denn die Beschränkung auf einige wesentliche Kategorisierungen im Antidiskriminierungsrecht bilde die „gesellschaftliche Vielfalt nicht ab und (verstoße) gegen die Idee des Gleichheitsgedankens an sich“. Es bedürfe der „Bereitschaft, sich auf nicht-normierte, interaktionelle Prozesse einzulassen und ungeordnete Mannigfaltigkeit auszuhalten“. Eine Tendenz zur Unbegrenztheit lässt sich hier schon erkennen. Der historisch gebildeten Macht sei eine durch dieses Antidiskriminierungsrecht zu gestaltende Gegenmacht entgegen zu stellen, etwa – über die bisherigen (Frauen-)Quoten hinaus – durch Quoten, die Diversität erhöhen, und eine möglichst vollständige Beseitigung jedes Diversitätsdefizits. Auch dies kann mit einer Entgrenzung einhergehen, die ideologische Aktivisten zu nutzen verstehen könnten. Ausblicke auf die Wirkmächtigkeit politischer Agenden schließen sich an.

Ausdruck von Diversität ist eigentlich auch die Meinungsfreiheit, ein klassisches Abwehrrecht gegen den Staat. Heute jedoch wird zumindest die Meinungsäußerungsfreiheit von mächtigen Privaten beschnitten. Hier diskutiert werden u. a. verschiedene Fälle russischer Künstler vor Auftritten in Deutschland bzw. der EU.