Lothar Häberle

Beschleunigung von Asylprozessen in Europa – archimedischer Punkt jeder Asylrechts-Reform. Zur Dringlichkeit einer Struktur-Reform.

in: JuristenZeitung (JZ) 2022, S. 439-445.

Die seit der Flüchtlingskrise 2015/16 von der EU-Kommission unterbreiteten Reformvorschläge des EU-Asylsystems erwiesen sich als Fehlschläge, da sie als politisch blockiert gelten. Trotz einiger sinnvoller Elemente sind sie u. a. zu kompliziert, nicht geeignet, den oft situationsbedingt gewachsenen „Dschungel des Migrationsrechts“ zu lichten. Es gilt, den gesamten EU-Asylprozess deutlich zu beschleunigen. Da besonders das Asyl-Verwaltungsverfahren (in Deutschland beim BAMF angesiedelt) mit gut gedolmetschter Anhörung und eigenen behördlichen Ermittlungen für die schwierige Tatsachen-Ermittlung von Bedeutung ist, kann dessen „falsche“ Beschleunigung ggf. sogar kontraproduktiv wirken. Die Last einer solchen „falschen“ Beschleunigung tragen nämlich die Verwaltungsgerichte durch deutliche Klagevermehrung, wenn nämlich viele Asylbewerber das Asylverfahren als unzulänglich und unfair empfinden. Beschleunigungspotenzial besteht im Bau von Aufnahmezentren nahe der EU-Außengrenzen, in denen für alle Asylbewerber der gesamte Asylprozess konzentriert stattfindet, im (fast) ersatzlosen Streichen von „Dublin III“ sowie in Verbesserungen innerhalb der Verwaltungsstrukturen. So lässt sich auch die „Migrations-Ehrlichkeit“ erhöhen, indem die Möglichkeiten entfallen für vorgeschobene Asylanträge (die bisher oft lange Bearbeitungszeit nutzend, um im Wunschstaat der EU Fuß zu fassen), ggf. mit „Spurwechsel“ zur Arbeitsmigration. Überlegungen zur politischen Dimension dieser Vorschläge beschließen diesen Beitrag.